Nach einigen Exkursen nach Buldern ist es Zeit mal wieder ein Projekt auf der Westmünsterlandbahn anzugehen. Zurück nach Ondrup!
Die Dortmund-Gronau-Enscheder-Eisenbahn wurde im Jahr 1875 in Betrieb genommen. Die Strecke hatte zwar den gleichen Verlauf wie heute, doch in Ondrup gab es weder Bahnhof noch Haltepunkt. Im Gegensatz zu Buldern zog auch kein spleeniger Adeliger die Notbremse, so dass in Ondrup nur einige Schrankenposten baulichen Bezug zum Bahnbetrieb hatten. Als direkte Konkurrenz zum Verkehr auf der Schiene baute das Deutsche Reich, es gab noch keine Deutsche Reichsbahn, ab 1892 den Dortmund-Ems-Kanal als direkte Verbindung der Zechen und Hochöfen im Ruhrgebiet zum Emdener Hafen.
Damit ergab sich zwischen Ondrup und Lüdinghausen beim Bahnkilometer 36,25 und Kanalkilometer 37,5 ein Kreuzungspunkt. An diesem traf der Kanal nicht nur auf die eingleisige Bahnstrecke, sondern auch auf eine dort mit einem Bahnübergang kreuzende Landstraße, welche einige Bauernhöfe verband. Dazu musste die Bahnstrecke in eine Dammlage verlegt und die Straße parallel zur Bahnstrecke verschwenkt werden. Am Kreuzungspunkt entstanden zwei Gitterbrücken mit eine Spannweite von jeweils 36,5 m. Die genaue geografische Lage dieser Brücken muss ich noch abklären, aber in der Namensgebung des Dortmund-Ems-Kanals handelte es sich um die "Ondruper Brücke", noch heute trägt die Brücke über die Neue Fahrt diesen Namen. Die Berenbrocker Brücke befindet sich 2 km weiter nördlich.
Ausschnitt aus dem Messtischblatt 4210 aus dem Jahr 1907. Wikipedia Commons
Die Brücken waren, nachdem die Bahnstrecke 1892 für die Zeit des Brückenbaus umgelegt worden war, schon 1893 fertiggestellt, wie der Geschäftsbericht der DGEE vom 19.05.1894 und die Dokumentation der Preußischen Straßenbauverwaltung mit Foto von den Vermessungsarbeiten vom 19.08.1895 zeigen (vorhandene Unterlagen bei der TU Berlin). Erst am 1.August 1899 erfolgte, am noch heute vorhandenen Schiffshebewerk bei Waltrop, die Eröffnung des Dortmund-Ems-Kanals durch Kaiser Wilhelm II. Der Verkehr war schon einige Wochen vorher aufgenommen worden. Das Deutsche Reich machte beim Bau des Kanals Nägel mit Köpfen. So wurden die Brücken für Eisenbahnen zwar nur soweit erforderlich gebaut. Um Kosten für den Fall zu sparen, dass eingleisige Strecken auf zwei Gleise erweitert werden sollten, wurden jedoch an mehreren Stellen schon Widerlager für diese dann ebenfalls vom Betreiber des Kanal zu zahlende Brücke erstellt. Neben der Ondruper Brücke ist mir dies auch von der Eisenbahnbrücke bei Spelle auf der Strecke Rheine-Cloppenburg und der Eisenbahnbrücke bei Rodde an der Strecke Löhne-Rheine, die tatsächlich 1909 auf zwei Gleise erweitert wurde, bekannt.
Ab 1929 wurde der Verlauf des Dortmund-Ems-Kanals zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit abschnittsweise verändert. Dort, wo der Kanal innerhalb von Dammschüttungen verlief, wurde parallel zum vorhandenen Kanal die "Zweite Fahrt" errichtet. Der erste über 8 km lange Abschnitt zwischen Datteln und Olfen wurde 1937 fertiggestellt. Aufgrund des 2.WK verzögerte sich der Bau der weiteren zweiten Fahrten. Entgegen der Angaben im Wikipedia Artikel über den Dortmund Ems Kanal ist mir aufgrund der Luftbilder des Katasteramtes des Kreises Coesfeld aus dem Jahr 1939 bekannt, dass der Bau der nächsten zweiten Fahrt, der Abschnitt Lüdinghausen-Senden, bereits 1939 auf dem Teilstück zwischen Lüdinghausen und der Berenbrocker Brücke abgeschlossen war. Die Dreigurtbrücke von Lüdinghausen wurde 1937 gebaut und war spätestens ab 1939 in Betrieb. Auch die bei der Bundesanstalt für Wasserbau zu findenen Bilder sind falsch auf 1950 datiert. Einige Zeit lang lief der Verkehr auf den beiden Fahrten parallel.
Ausschnitt aus dem Luftbild der Katasterbefliegung vom Mai 1939. Foto: Katasteramt Kreis Coesfeld
Irgendwann nach dem 2.WK sind die alten Ondruper Kanalbrücken dann verschwunden. Auf den Luftbildern aus dem Jahr 1963 sind sie nicht mehr zu sehen. Ein mögliches Szenario ist, dass die Brücken am Ende des Krieges gesprengt und von den britischen Besatzern nicht mehr aufgebaut wurden, da man aufgrund der Zweiten Fahrt auf sie verzichten konnte. Ich hoffe da noch auf Dokumente und Augenzeugenberichte.
Am 30.03.2016 sah es am ehemaligen Standpunkt der Brücke so aus. Der Beginn des Linksbogens liegt nah am hinteren Widerlager.
Heute ist vor Ort kaum noch zu erahnen, was für ein Bauwerk sich einmal dort befand. Der Bahndamm wurde spätestens bei der Hebung der Dreigurtbrücke im Jahr 1998 weiter angehoben, um die Rampe abzuflachen. Die Straße wurde, nach der Aufhebung des ca. 100 m entfernten Bahnübergangs abgesenkt. Die Alte Fahrt ist im Bereich des südlich gelegenen Bogens für den Angelsport freigegeben und von einem Campingplatz aus zugänglich. Die Zufahrt zum heutigen Kanal ist durch einen Damm mit kleinem Durchlass versperrt. Auf der nördlichen Seite ist die Alte Fahrt ein schwer zugängliches Naturschutzgebiet, in welchem Wasservögel ihre Ruhe haben.
So sieht heute der Kreuzungspunkt der Westmünsterlandbahn mit der Alten Fahrt aus der Vogelperspektive aus. Foto mit freundlicher Genehmigung von Dietmar Rabich, Bildausschnitt aus: Wikimedia Commons
Wenn man sich von der nördlichen Seite aus an den Standort der alten Brücke begibt, dann findet man noch Reste der Widerlager. Dabei handelt es sich um die Widerlager der niemals gebauten zweiten Eisenbahnbrücke.
Die nördliche Flügelmauer der nie gebauten zweiten Eisenbahnbrücke. Foto 09.03.2016
Die westliche Flügelmauer. Einige Abdeckplatten fehlen.
Das Widerlager an der westlichen Flügelmauer. Der oben nach links abknickende Block war das Widerlager für die Träger auf denen das Gleis auflag. Davor lag der Brückenbogen auf.
Soviel zunächst zum Vorbild.
Mit dem Nachbau der Brücken wollte ich eigentlich schon im letzten Jahr beginnen. Doch als mir klar wurde, wie komplex der Nachbau der Brückenträger wird, habe ich das erstmal zurückgestellt. Jetzt ist der Knoten geplatzt und ich habe einfach mal angefangen. Zu Gute kommt mir bei diesem Projekt, dass zumindest für die Straßenbrücke Pläne im Internet zu finden sind. Dank der TU Berlin kann man ein hoch auflösendes Foto und Pläne der Straßenbrücke sehen, die Eisenbahnbrücke ist leider nur am Rande zu erkennen. Daher muss ich zu dieser Brücke einige Mutmaßungen anstellen.
Material der Wahl sind Polystyrolplatten und Profile. Die fast fertige Straßenbrücke hat ein Eigengewicht von nur 35g, aber bei einem ersten Test keine Probleme mit einer Last von 500g gezeigt. Die Eisenbahnbrücke wird wesentlich stabiler ausgeführt. Über den Bau der Brücken werde ich in den nächsten Blogposts ausführlich berichten, als Vorgeschmack nur ein Bild der Straßenbrücke:
Die fast fertige Ondruper Straßenbrücke. Das Modell hat zwischen den Auflagern eine Spannweite von 41,6 cm.
Soviel für heute, in den nächsten Tagen gibt es dann einen ausführlichen Bericht zum Brückenbau und dem in Planung befindlichen Modul.
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