Modellbahnphilosophie

Jeder Modellbahner hat sein eigenes Kredo, nachdem er seine Bahnen baut und gestaltet, er seine Fahrzeuge auswählt und in welchen Zusammenstellungen sie eingesetzt werden. Hier gebe ich jetzt meine Ansichten zum Besten. Keine Blaupause, nach der andere sich richten müssen, aber vielleicht ein paar Denkanstöße, mit denen man sein eigenes Verständnis überdenken (oder auch rechtfertigen) kann.

MODELLbahn
Wichtig ist für mich an erster Stelle: Ich baue MODELLbahn. Das heißt, dass ich versuche die große Welt möglichst exakt 87 mal kleiner darzustellen. Beim Abtauchen in die Preiserperspektive soll auch der Betrachter sich fühlen, als würde er selbst ein Teil der Welt sein.

Öffentlichkeit
Das Modellbahnhobby wird traditionell auf Dachböden oder in Kellern betrieben. Das ist sehr schade, denn viele Anlagen haben es nicht verdient im Verborgenen zu bleiben. Die Modul- und Segmentbauweise bietet die Möglichkeit als Einzelpersonen an Ausstellungen teilzunehmen oder sich einer der vielen Modulnormen anzuschließen, um das Hobby in der Gruppe zu betreiben. Das bringt Anregungen und man schaukelt das Niveau gegenseitig hoch.
Durch Ausstellungen mit Öffentlichkeit schafft man es andere für das Hobby zu begeistern und vielleicht das Image der Modellbahner Eingebrödler im Bastelkeller zu sein zu ändern. Nichts ermutigt mehr, als wenn Gäste Lob spenden und die Richtigkeit des nachgebauten Vorbildes bescheinigen.


Vorbild- oder Bücherbahn?
Zusätzlicher Anspruch für mich ist, möglichst viel nach Vorbild zu bauen. Dazu noch sehr gern aus der Welt von vor 50 Jahren. Dazu ist eine ausführliche Vorbildrecherche notwendig. Nicht immer führt dabei der erste Weg zum gewünschten Resultat, man muss also hartnäckig sein, und dort, wo man sicher ist Informationen zu bekommen, dran bleiben. Aber irgendwann muss man bei der Vorarbeit einfach einen Schlussstrich ziehen, sonst fängt man nie mit dem Bau an.
Das Charmante an dem Vorgehen ist, dass man sehr viele auf den ersten Blick merkwürdige Details im Vorbild belegen kann.

Im Gegensatz dazu steht der Bau von frei erfundenen Szenerien. Hier ist eine ausführliche Recherche in Regelwerken (des dargestellten Zeitraumes!) notwendig. Nur so kann trotzdem ein realistisches Modell entstehen. Natürlich können Vorbildsituationen die von der Regel abweichen auch hier umgesetzt werden. Dabei sollte man es aber auf keinen Fall übertreiben und gerade bei Änderungen der Gleisanlagen gut argumentieren. Ansonsten driftet man schnell in den Spielzeugbereich ab.

So gut wie möglich
Bei den verwendeten Materialien wird man durch viele Faktoren begrenzt. Vieles, was man umsetzen möchte, gibt es nicht zu kaufen. Es bleibt also nur der Selbstbau. Dann ist da der Faktor Geld. Die Hersteller wissen oft, dass sie ein Spitzenprodukt anbieten, und lassen sich das entsprechend vergüten. Oft stellt sich auch die Frage: Muss ich das wirklich kaufen, oder kann ich es auch, mit vertretbarem Aufwand, selber bauen?

Für mich ist immer ganz klar: So gut wie möglich sollte es sein. Was nützt es einem 100 Modellsäcke für 5 Euro zu kaufen, wenn man sich dann für immer mit der schlechten Optik herumschlagen muss. Da sind 20 Säcke für 6 Euro, die auch bei naher Betrachtung wie das Vorbild aussehen, ganz klar die bessere Wahl. Das Loch im Portemonaie ist bald vergessen.

Klarer Fall: Klasse, nicht Masse!

Und bringt ein Hersteller mal ein noch besseres Produkt auf den Markt, dann kann man das zwar nachrüsten oder noch austauschen. Man kann sich aber trotzdem selbst beruhigen, denn man hat das zu der Zeit beste Produkt gekauft. Hätte man darauf gewartet wäre das Gesamtprojekt vielleicht ins stocken geraten.

Kein "Schachtelbahning"
Ich habe oft das Problem, dass ich beim Blick auf Modellbahnen keine Welt in klein, sondern die bekannten Produkte der Marktführer sehe. Dazu noch oft ohne weitere Bearbeitung zusammengebaut einfach drauf gestellt. Für mich sind das nur Gestaltungsbeispiele, wie früher bei Lego. Aus dem Inhalt der kleine Pappschachteln kann man tolle andere Sachen zaubern. Ort hilft schon eine Änderung des Arrangements der Gebäudeteile oder eine leichte Änderung der Fensteranordnung oder sonstiger Verzierungen.

Nicht jedes Gebäudes muss kompletter Selbstbau sein. Einen gewissen Anspruch ein individuelles Gebäude mit Ausdruck der eigenen Kreativtät gebaut zu haben sollte jeder Modellbauer haben.

Auch ein Vorbildgebäude muss nicht bis auf den letzten Mauerstein exakt nachgebildet werden. Aber das Gefühl für das Original und dessen Einfügung in die Umgebung muss erkennbar sein. Ein Bayrischer Landhandel oder eine Mecklenburgische LPG in einem westfälischen Landschaftsbild zerstört jede Illusion.

Die Fahrzeuge
Unter den sich so bezeichnenden Modellbahnern sind ca. 2/3 hauptsächlich an der Fahrzeugen interessiert, und davon wiederum ein Großteil nur an Lokomotiven. Natürlich gehören die Fahrzeuge auch zu einem vorbildnahen Modell, aber sie sind eben nur ein Teil.

Ein totaler Zwang nur die im dargestellten Vorbildzeitraum am dargestellten Ort benutzten Fahrzeuge zu nutzen engt das Hobby zu stark ein, und ist auch nicht nötig. Allerdings wirken E-Loks auf Strecken ohne Oberleitung doch etwas deplaziert, da hört für mich die Tolleranz auf.

Aus den Fahrzeugen lässt sich, genau wie beim Gestaltungsmaterial, durch Einsatz von ein paar Zurüstteilen und etwas Farbe sehr viel herausholen. Eine Diesellok oder Rußspuren oder das Fahrwerk eines Güterwagens ohne Bremsstaub und Spuren der Ladung sind für mich einfach störend. Alles total einsiffen ist nicht nötig, aber eine leichte "Veredelung" ist einfach schön anzusehen. Wer seine Fahrzeuge glänzend wie aus der Schachtel aus der Vitrine auf die Anlage stellt, um auch Bloß nicht den theoretischen Wiederverkaufswert zu senken, der sollte sich über andere Geldanlagen Gedanken machen.

Auch schlecht ist es auf dicke Hose zu machen und den Personenwagen Innenbeleuchtung zu verpassen, und sie dann leer und Fahrgäste über die Anlage zu schicken. Erst durch die Darstellung von "Leben" wird eine Modellbahn lebendig.

Der Betrieb
Durch den Fremo habe ich natürlich ein Umfeld, in dem der Betrieb sehr wichtig ist. Züge fahren nicht einfach ziellos herum, sondern habe Aufgaben. Jeder Güterwagen verfügt über eine Wagenkarte, in welche die zugeordnete Fracht mit Fahrtziel eingesteckt ist. Die sich daraus ergebenden Nahgüterzug-Dienste sind bei jedem Treffen mit die beliebtesten Aufgaben, muss man doch eine ganze Menge Hirnschmalz investieren und lernt bei den anstehenden Rangieraufgaben die besuchten Bahnhöfe gut kennen.

Fahren nach Fahrplan und Uhr ermöglicht die effektive Nutzung des mühsam aufgebauten Arrangements. Zwar erzeugt vor allem die Uhr einen gewissen Stress. Dieser wendet sich aber schnell zum positiven, und der Stolz die gestellten Aufgaben erfüllt zu haben überwiegt.

Bei Ausstellungen erzeugt dieses Vorgehen zwar oft Kopfschütteln und Unverständnis (Der übliche "Assizuschauer" nutzt die Ausspruch "Hier fährt ja nix"), doch ein Großteil der Gäste versteht nach einer kurzen Erklärung, dass auch das ein Teil des Spiels und der Präsentation ist.

Der richtige Weg
Man kann auf der Modellbahn wesentlich weniger richtig als falsch machen. Einen absolut richtigen Weg gibt es aber nicht. Dazu ist das Hobby viel zu vielfältig. Jeder sollte nicht vergessen, dass die Freude an dem was man tut überwiegen sollte. Und eins sollte man auf jeden Fall beherzigen: Immer tollerant sein! Am Ende haben wir doch alle ein Hobby und gehen in den gleichen Laden. Und wenn der kaputt geht, dann kann man für jedes Kleinteil weiter fahren oder muss es im Netz bestellen.